Meldung vom Donnerstag, 31. Juli 2014

Besprechen, was auf dem Herzen liegt

Frau Anneliese Janßen erhielt im November 2013 die Diagnose "unheilbarer Krebs". Um in der folgenden Zeit nicht in ein schwarzes Loch zu fallen, rief sie beim Hospizdienst Wilhelmshaven-Friesland e. V. an und bekam vielfältige Hilfe und als Begleitung Frau Lünemann.
Lesen Sie im Folgenden, wie die beiden Frauen die Zeit der Begleitung schildern.

Frau Lünemann und Frau Janßen

Frau Lünemann und Frau Janßen

Bericht von Frau Anneliese Janßen

Als ich am 30. November 2013 mit der Diagnose „unheilbarer Krebs“ aus dem Pius-Hospital in Oldenburg entlassen wurde, nahm meine behandelnde Ärztin, Frau Dr. Taperek-Mildner, mich in den Arm mit den Worten: „So, jetzt leben Sie ganz intensiv und machen nur das, was Ihnen Spaß und Freude macht.“ Das habe ich mir hinter die Ohren geschrieben!

Meine Tochter war bei allen Arztgesprächen dabei, das hat meinem Mann und mir sehr geholfen. Als sie wieder zurück nach Wuppertal musste, fiel ich in ein schwarzes Loch.

Meinen Mann konnte ich nicht noch mehr belasten. So rief ich bei dem ambulanten Hospizdienst Wilhelmshaven-Friesland e.V. an, sprach dort aufs Band und kurze Zeit später wurde zurückgerufen. Wir vereinbarten einen Besuchstermin und es erschien eine der beiden Koordinatorinnen, Frau Minas, die mir auf Anhieb sympathisch war. Die engagierte, freundliche Frau führte mit mir und meinem Mann ein informatives Gespräch.

Von da an lief alles wie am Schnürchen. Ich lernte Frau Brünagel vom Palliativ-Care-Team kennen und die netten Damen von der Ernährungsberatung, die sich viele Gedanken um mich machten. Vergessen darf ich auch nicht die zwei Damen vom Pflegedienst der AOK und vom Medizinischen Dienst.

Doch das Beste war, dass Frau Minas zu meiner Begleitung „meine“ Frau Lünemann auswählte. Sie arbeitet ehrenamtlich für den ambulanten Hospizdienst und begleitet schwerkranke Menschen, die sich in ihrer letzten Lebensphase befinden sowie deren Angehörige. Nunmehr mich!

Mit ihr kann ich alles besprechen, was mir auf dem Herzen liegt. Sie ist sehr hilfsbereit, macht mir irgendwie immer eine Freude, bringt mir schöne Hörbücher mit oder schickt mir auch kleine nette Gedichte, von ihr verfasst oder auch von Heinz Erhardt oder von Eugen Roth.

Wenn das Wetter mitspielt, setzen wir uns in den Besuchsstunden auch gerne nach draußen in unseren Garten, besuchen „Familie Olm“, Lurche, die in unserem Teich leben, hören, wie die Vögel zwitschern und genießen einfach die Natur. Glücklicherweise teilen Frau Lünemann und ich sehr viele gemeinsame Interessen. Sie schreibt gerne, genau wie ich. Wir lieben beide die Natur und beschäftigen uns mit Fotografie. Als Motive wähle ich gern einzelne Blüten aus unserem Garten. So kann ich die Fotos per Mail versenden. An unserem PC sitze ich oft und pflege die Kontakte zu meinen Freundinnen. So halte ich meinen Kopf fit und kann meine Gedanken niederschreiben.

Üblicherweise kommt Frau Lünemann mich samstags vormittags besuchen. Ab und an musste ich die Besuchstage absagen, da die Nebenwirkungen der Chemotherapie mir zu schaffen machten und ich dann einfach alleine sein wollte. Dann schreiben wir uns Mails oder telefonieren.

Uns geht der Gesprächsstoff nie aus und ganz schnell sind so 2 – 2 1/2 Stunden verflogen. Gemeinsam machen wir uns Gedanken über Bücher, die wir gerade lesen oder gelesen haben.

Frau Lünemann hinterfragt mein Befinden, ist aufmerksam und einfach für mich da. Natürlich sprechen wir über meine Erkrankung und den zu erwartenden weiteren Verlauf. Aber, was sich vielleicht keiner vorstellen kann: Wir lachen auch sehr viel, erzählen einander aus unserem Leben und erleben eine Zeitlang wohltuende Unbeschwertheit.

So hatte ich bis heute noch eine erfüllte Zeit, vor allen Dingen, wenn ich daran denke, dass ich schon Angst hatte, das letzte Weihnachtsfest 2013 nicht mehr zu erleben. Inzwischen habe ich im Februar noch meinen 78. Geburtstag gefeiert und sowohl Ostern als auch Pfingsten erlebt, nicht zu vergessen den Frühling mit seiner Farbenpracht.

Ich habe allen meinen Bekannten und Freundinnen geraten, sich im Falle eines Falles an den ambulanten Hospizdienst Wilhelmshaven-Friesland e.V. zu wenden und kann das nur immer wieder empfehlen.

Wenn es dann ans Sterben geht – und das könnte theoretisch täglich der Fall sein – hoffe ich auf eine humane Pflege und Schmerzbekämpfung des Hospizes.

Wilhelmshaven im Juli 2014, Anneliese Janßen

Bericht von Frau Angelika Lünemann

Frau Janßen ist für mich eine besondere Begleitung, Besonders im Sinne von wertvoll!

Zunächst ist hervorzuheben, dass Frau Janßen selbst als Betroffene um Hilfe beim ambulanten Hospizdienst gebeten hat, was eine Ausnahme darstellt. Eine erfreuliche Ausnahme!

Normalerweise melden sich Angehörige, die Unterstützung benötigen. Leider häufig erst dann, wenn es der zu begleitenden Person bereits sehr schlecht geht.

Das ist bei Frau Janßen anders. Seit sie von ihrer Ärztin erfuhr, unheilbar krank zu sein, schritt sie zur Tat und rief beim ambulanten Hospizdienst an. Selbstbestimmt und klar strukturiert. Kurzum: Bemerkenswert!

Und so ist Frau Anneliese Janßen auch als Person! Es ist eine Freude für mich, sie begleiten zu dürfen. Von Anbeginn schenkte sie mir ihr Vertrauen und hieß mich willkommen.

Dieses Willkommen-Sein bedeutet mir sehr viel. Es erleichtert das Miteinander und öffnet Türen. Dadurch wird eine optimale Begleitung ermöglicht, die auf beiden Seiten Sicherheit bewirkt.
Ebenfalls erfreulich ist es, dass ich auch zu Herrn Janßen einen „guten Draht“ habe. Er versorgt uns bei meinen Besuchen liebevoll mit Getränken und Leckereien, was eine gemütliche Atmosphäre hervorruft.

Wir erleben einander „ungeschminkt“ und bereichern uns allein schon dadurch, dass wir Interesse am Leben des anderen zeigen und zuhören. Mehr bedarf es oft nicht – einfach zuhören!

Persönliche Themen, wie Patientenverfügung und Bestattungs-wünsche stehen genauso auf dem Besprechungsprogramm, wie Geschehnisse aus Wirtschaft, Politik und Kultur. Und Fußball natürlich! Mal verlaufen die Gespräche ernst – mal heiter, je nach Gesprächsbedarf.

Es wird „Klartext“ geredet. Die beiden Kinder nebst Ehepartnern, die Enkelkinder, Freunde und die nächsten Nachbarn – alle wissen Bescheid, wie es um Frau Janßen steht. Alle sind recht betroffen.

Die Familie, insbesondere der Ehemann und die beiden Kinder, sind da. Soll heißen, dass sie sich kümmern und sorgen. Ein soziale Netz, bestehend aus liebevollen Menschen, die ihrer Frau bzw. Mutter zur Seite stehen – bis zuletzt!

Diese Fürsorge seitens der Familie rührt mich. Ein Glück im Unglück!

Meine Motivation, diese verantwortungsvolle Ehrenamt auszuüben, erhalte ich u.a. in Momenten, wie oben beschrieben. So macht Begleitung Sinn!

Ich wünsche mir, dass die kostenlosen Begleitungen des ambulanten Hospizdienstes Wilhelmshaven-Friesland e.V. mehr in Anspruch genommen werden, um vielen schwer kranken Menschen zur Seite zu stehen sowie deren Angehörige individuelle Unterstützung anzubieten.

Angelika Lünemann, im Juli 2014